Grüne Gebäude – innen und aussen

Wenn du Zeit hast, lass’ die Brücke doch einfach wachsen. Das sagen sich Khasi seit vielen Jahrhunderten. Und wenn wir nicht so viel Zeit haben? Eine Übersicht über grüne Gebäude – auf etwas weniger ausgetretenen Pfaden. Mehr aus Sicht von gewachsenen Brücken.

Lebende, wachsende Brücken

Die Khasi sind eine indigene Ethnie, die hauptsächlich im Nordosten Indiens lebt. Sie sind für ihre einzigartige traditionelle Bauweise bekannt, die als «Living Root Bridges» (lebende Wurzelbrücken) bezeichnet wird.

Die Khasi haben eine Methode entwickelt, um Brücken über Flüsse und Schluchten zu bauen, indem sie das Wurzelsystem des Ficus elastica, eines Gummibaumgewächses, gezielt wachsen lassen. Sie leiten die wachsenden Wurzeln über Jahre hinweg in bestimmte Richtungen, bis sie sich miteinander verbinden und eine solide Brückenstruktur bilden. Diese Brücken werden aus lebendem Material geschaffen und können über mehrere Jahrzehnte hinweg bestehen, da die Wurzeln ständig weiterwachsen und sich verstärken. Einige der bekanntesten und beeindruckendsten Beispiele sind die Double-Decker-Brücke in Cherrapunji und die Single-Decker-Brücke in Mawlynnong, beide in Meghalaya.

Die Bauweise der lebenden Wurzelbrücken der Khasi ist nicht nur funktional und langlebig, sondern auch äusserst umweltfreundlich, da keine herkömmlichen Baumaterialien wie Holz oder Beton benötigt werden. Sie sind ein bemerkenswertes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit und Kreativität der Khasi-Kultur in Bezug auf die Nutzung natürlicher Ressourcen.

Lebendige Bauwerke

«Baubotanik» ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, welches die Verbindung von Architektur und Pflanzen untersucht. Es kombiniert Prinzipien der Botanik, Architektur, Ingenieurwissenschaften sowie Design, um lebende Pflanzen in architektonische Strukturen zu integrieren oder sogar lebende Gebäude zu schaffen. Wie die Brücken der Khasi.

«Die Baubotanik nähert sich dem Baum technisch und der Architektur biologisch, dadurch können wir das Verhältnis von Natur und Architektur neu ausloten», beschreibt es Ferdinand Ludwig, Professor an der TU München und Pionier auf diesem eher neuen Bau- und Forschungsgebiet.

Das Konzept der Baubotanik basiert auf der Idee, dass Pflanzen als aktive und wachsende Organismen in der Lage sind, strukturelle Funktionen zu übernehmen und somit als Baumaterial dienen können. Statt traditioneller Baumaterialien wie Beton, Stahl oder Holz werden lebende Pflanzen verwendet, um Tragstrukturen, Dächer, Wände und andere architektonische Elemente zu schaffen.

Es gibt verschiedene Ansätze in der Baubotanik. Ein bekanntes Beispiel ist die Verwendung von lebenden Bäumen oder Sträuchern als Grundgerüst für Gebäude. Dabei werden junge Bäume in bestimmten Mustern gepflanzt und dann in die gewünschte Form geleitet und gestutzt, um ein stabiles und funktionsfähiges Gerüst zu schaffen.

Eine wenig technische, aber dennoch interessante Gestaltungsform von Pflanzen sind sogenannte «Tanzlinden». Tanzlinden sind alte, markante Lindenbäume, die in einigen Regionen Europas zu finden sind und dahingehend gestaltet und geformt wurden, damit sie ausladende, Schatten-spendende Kronen bilden. Der Begriff «Tanzlinde» bezieht sich auf die Tradition des Tanzens und der Veranstaltung von Festen unter diesen Bäumen. Sie haben eine kulturelle und historische Bedeutung und sind oft mit lokalen Bräuchen verbunden.

Beispiele für Baubotanik gibt es in Europa inzwischen einige, ein kleiner Auszug:

  1. Das Baubotanik-Haus in Stuttgart, Deutschland: Das Baubotanik-Haus ist ein experimentelles Gebäude, das als Teil des Forschungsprojekts «Baubotanik» an der Universität Stuttgart entstanden ist. Es besteht aus einer Holzkonstruktion, die mit lebenden Pflanzen ummantelt ist. Die Pflanzen dienen als natürliche Fassade und bieten Schatten, Feuchtigkeitsregulierung und ökologische Vorteile.
  2. Der Baubotanische Pavillon in Weil am Rhein, Deutschland: Dieser Pavillon, entworfen von Ferdinand Ludwig, kombiniert die Prinzipien der Baubotanik mit biomorphen Designelementen. Er besteht aus einem Stahlgerüst, das mit Kletterpflanzen bewachsen ist. Die Pflanzen bilden eine lebendige Hülle, die den Pavillon vor Sonneneinstrahlung schützt und eine natürliche Ästhetik schafft.
  3. Das «La Tour Vivante» in Nantes, Frankreich: Dieser lebende Turm von SOA Architectes ist ein eindrucksvolles Beispiel für Baubotanik. Er besteht aus Balkonen, die mit Bäumen bepflanzt sind und sich um einen Betonkern mit verschiedenen Räumen herum erstrecken. Die Bäume tragen zur Luftreinigung, zur Schaffung von Lebensraum für Vögel und Insekten und zur Verbesserung der Ästhetik des Gebäudes bei.
  4. Das «Green Solution House» auf der Insel Bornholm, Dänemark: Dieses nachhaltige Hotelprojekt integriert Baubotanik-Konzepte, um eine grüne und energieeffiziente Umgebung zu schaffen. Es umfasst begrünte Fassaden, ein begrüntes Dach und einen Innenhof mit lebenden Bäumen. Die Pflanzen helfen bei der Wärmedämmung, der Luftreinigung und der Schaffung einer angenehmen Atmosphäre.

Und weiter zur «bionischen» Architektur

Die Idee der Bionik basiert auf der Anwendung von Prinzipien und Strukturen aus der Natur auf technische und gestalterische Probleme. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern «Biologie» und «Technik» zusammen und beschreibt eine interdisziplinäre Herangehensweise, bei der Erkenntnisse aus der Natur auf die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Systeme angewendet werden.

Bionik findet in der Architektur und im Bauwesen wie folgt Anwendung:

  1. Form und Struktur: Die Formen und Strukturen in der Natur können als Inspiration für architektonische Entwürfe dienen. Beispielsweise kann das Wachstum von Bäumen und ihre Verzweigungsmuster zur Entwicklung von Tragstrukturen verwendet werden. Das Verständnis von Formen in der Natur, wie etwa Spiralen oder Fraktalen, kann zu effizienten und ästhetisch ansprechenden Gebäuden führen.
  2. Materialien und Oberflächen: Die Natur bietet eine breite Palette von Materialien und Oberflächen mit einzigartigen Eigenschaften. Beispielsweise kann die Struktur von natürlichen Materialien oder Funktionsweisen zur Entwicklung leichter und dennoch stabiler Materialien für den Bau verwendet werden. Die Selbstreinigungsfähigkeiten bestimmter Pflanzen können dazu inspirieren, Beschichtungen zu entwickeln, die Schmutz- und Schadstoffablagerungen reduzieren. Die Untersuchung von biologischen Materialien und Oberflächenstrukturen kann zu innovativen Baustoffen wie zum Beispiel selbstheilendem Beton führen.
  3. Energieeffizienz und Klimaanpassung: Pflanzen und Tiere haben im Laufe der Evolution Mechanismen entwickelt, um Energie effizient zu nutzen und sich an ihre Umgebung anzupassen. Solche Prinzipien können in der Architektur angewendet werden, um energieeffiziente Gebäude zu gestalten. Beispielsweise kann die Kühlung durch natürliche Belüftungssysteme oder die Nutzung von Sonnenenergie durch Biomimetik optimiert werden.
  4. Nachhaltiges Wassermanagement: Die Natur bietet auch Vorbilder für ein nachhaltiges Wassermanagement. Biomimetische Ansätze können helfen, Regenwasserrückhaltungssysteme zu entwickeln oder die Wasseraufnahme und -speicherung von Pflanzen zur Gestaltung grüner Infrastruktur zu nutzen.
  5. Lebensraumintegration: Die Integration von Grünflächen und Lebensräumen für Tiere in die Architektur kann die Biodiversität fördern und städtische Ökosysteme verbessern. Die Gestaltung von Gebäudefassaden oder Dachgärten, die Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten, ist ein Beispiel für die Anwendung von Bionik in der Architektur.

Grüne Fassaden und deren Nutzen

Der «Bosco Verticale» in Mailand, entworfen vom Architekten Stefano Boeri, besteht aus zwei Hochhäusern mit einer natürlichen Fassade aus einer Vielzahl von Bäumen und Pflanzen. Das Hauptmerkmal des Bosco Verticale ist die Integration von mehr als 900 Bäumen, 5’000 Sträuchern und 11’000 Bodendeckern in die Fassaden der Gebäude. Diese grünen Elemente bieten zahlreiche Vorteile für die Umwelt und die Bewohner des Gebäudes. Der Bosco Verticale wird zum einen als nachhaltige Architektur gelobt, aber auch für die aufwändige Pflege und Bewässerung kritisiert.

Vorteile von weniger aufwändig begrünten Fassaden können trotzdem sein:

  1. Verbesserung der Luftqualität: Die Pflanzen auf begrünten Fassaden absorbieren Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff durch Photosynthese. Sie dienen als natürliche Filter, die schädliche Luftschadstoffe und Partikel einfangen und entfernen. Dadurch verbessern sie die Luftqualität und reduzieren die Belastung durch Luftverschmutzung.
  2. Wärmedämmung und Energieeinsparung: Begrünte Fassaden bieten zusätzliche Isolierung für Gebäude. Sie helfen dabei, die Wärmeübertragung zu reduzieren, indem sie im Sommer die Sonnenstrahlung und im Winter den Wärmeverlust verringern. Dies führt zu einer besseren Energieeffizienz und kann den Bedarf an Klimatisierung und Heizung reduzieren.
  3. Lärmminderung: Pflanzen auf begrünten Fassaden können als Schallschutz dienen, indem sie Schallwellen absorbieren und reflektieren. Dies hilft, den Lärmpegel in der Umgebung zu reduzieren und ein ruhigeres und angenehmeres Raumklima zu schaffen.
  4. Verbesserung des städtischen Mikroklimas: Begrünte Fassaden tragen dazu bei, das städtische Mikroklima zu verbessern. Sie helfen, Hitzeinseln in städtischen Gebieten zu reduzieren, indem sie die Temperaturen durch Verdunstung und Schattenbildung senken. Durch die Verdunstung von Wasser von den Pflanzen wird auch die Luftfeuchtigkeit erhöht, was zur Verbesserung des lokalen Klimas beiträgt.
  5. Ästhetische Aufwertung und psychologisches Wohlbefinden: Begrünte Fassaden bieten eine ansprechende und grüne Umgebung, die das Stadtbild verschönert. Sie schaffen einen visuellen Kontrast zu grauen Beton- oder Glasfassaden und tragen zur Verbesserung des städtischen Lebensraums bei. Zudem haben Studien gezeigt, dass der Blick auf Pflanzen und die Nähe zur Natur das Wohlbefinden, die Produktivität und die psychische Gesundheit der Menschen fördern kann.

Magst du Leinen-Hemden? Vielleicht taugt ja Flachs auch zum Bauen?

Flachs und andere Fasern in der Architektur, ja klar unter anderem dafür:

  • Faserbeton: Flachsfasern können als Verstärkungsmaterial in Beton eingesetzt werden, um die Zugfestigkeit zu verbessern und Rissebildung zu reduzieren. Faserbeton mit Flachsfasern kann in Fassadenelementen, Wandplatten oder Bodenbelägen verwendet werden. Diese Materialien bieten eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichem Stahlbeton und können die Umweltauswirkungen reduzieren.
  • Faserverstärkte Kunststoffe: Flachs- und andere Pflanzenfasern können als Verstärkungsmaterialien in Kunststoffen verwendet werden, um leichtere und dennoch stabile Bauteile herzustellen. Solche faserverstärkten Kunststoffe werden zum Beispiel für Dachstrukturen, Fassadenelemente oder Leichtbauwände verwendet.
  • Dämmmaterialien: Flachsfasern können zu Dämmmaterialien verarbeitet werden, die in der Gebäudedämmung eingesetzt werden. Diese Naturfasern bieten eine gute Wärmedämmung und tragen zur Energieeffizienz von Gebäuden bei. Sie können in Form von Matten, Platten oder Spritzdämmstoffen verwendet werden.
  • Textilien und Membranen: Flachs- und andere Fasern können zu Textilien und Membranen verarbeitet werden, die in der Architektur eingesetzt werden. Sie können als Sonnenschutzsysteme, Vorhänge oder textile Fassaden verwendet werden. Diese natürlichen Materialien bieten ästhetische Möglichkeiten und können auch zur Regulierung von Licht, Wärme und Luftfeuchtigkeit beitragen.
  • Innenausbau und Möbel: Flachsfasern können in der Möbelherstellung und im Innenausbau verwendet werden. Sie können zu Polstermaterialien, Bezügen oder Oberflächenverkleidungen verarbeitet werden. Diese natürlichen Materialien bieten eine nachhaltige Alternative zu synthetischen Stoffen und tragen zu einer gesunden Raumgestaltung bei.

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