Gastbeitrag: Zirkuläre Bauindustrie – Messen und Maximieren der Materialzirkularität

Dieser Gastbeitrag stammt von: Florian Robineck, Geschäftsführer und Inhaber von conspark – vielen herzlichen Dank.


Der im vergangenen Monat veröffentlichte Circularity Gap Report zeigt eines sehr deutlich: die Schweizer Wirtschaft ist nicht zirkulär. Mit einer berechneten Zirkularität von 6.9% liegt die Schweiz unter dem globalen Durchschnitt von 7.2%. Der Pro-Kopf-Materialverbrauch liegt mit 19 Tonnen pro Jahr mehr als doppelt so hoch, wie er für ein nachhaltiges Wirtschaften nötig wäre (8 Tonnen pro Kopf und Jahr). Der Bausektor sticht dabei besonders hervor, da er einen erheblichen Anteil an natürlichen Ressourcen verbraucht und grosse Mengen an Abfällen erzeugt.

Mit der Vielzahl der verbauten Materialien, werden nicht nur die natürlichen Rohstoffvorkommen geschmälert, sondern auch erhebliche Mengen an Treibhausgasen emittiert. An jedem Baumaterial hängt ein CO2-Fussabdruck, der als verbaute Emissionen (embodied carbon) in die Ökobilanz des Gebäudes eingeht. Diese verbauten Emissionen spielen eine immer wichtigere Rolle, da ihr Anteil im Vergleich zu den Betriebsemissionen immer grösser wird. Durch technische Innovationen ist es heute möglich die Betriebsemissionen bei aktuellen Neubauten bereits auf ein Minimum zu senken. Die Herausforderung besteht darin, Materialien mit einer hohen Zirkularität und niedrigem CO2-Fussabdruck für den Neubau zu verwenden. Immer mehr Unternehmen setzen bei der Entwicklung oder Verbesserung neuer oder bestehender Produkte daher verstärkt auf eine höhere Zirkularität unter gleichzeitiger Verringerung der CO2-Emissionen.

Anders als bei der Ökobilanz für Gebäude oder Produkte gibt es für die Messung der Zirkularität auf den verschiedenen Ebenen Produkt, Unternehmen oder Gebäude noch keine gültige Normung. Die Ellen MacArthur Foundation stellt aber eine sehr weit verbreitete Methode zur Verfügung, um die Zirkularität auf verschiedenen Ebenen zu messen.

Es handelt sich dabei um eine Materialflussanalyse, die den Materialeinsatz (Primär- und Sekundärrohstoffe) und das Materialaufkommen am Lebensende (Material für Reuse, Recycling, Energierückgewinnung, Kompost, Deponie) analysiert. In Kombination mit einer Bewertung der Lebensdauer im Vergleich zum Branchendurchschnitt ergibt sich ein Wert für die Materialzirkularität.

Eine mögliche Anwendung ist die Verwendung des Zirkularitätsindikators in der Entwicklungsphase von Produkten. Häufig haben Hersteller bereits bestehende Produkte, welche optimiert werden sollen oder stehen bei der Entwicklung neuer Produkte vor der Entscheidung zwischen mehreren Alternativen.

conspark hat für solche Entscheidungen die Circular Performance Metrics entwickelt. Diese erlauben es komplexe Entscheidungssituationen mit mehreren Zielkriterien zu analysieren und die bestmögliche Alternative auszuwählen. Neben der bereits beschriebenen Maximierung der Materialzirkularität können beliebig viele weitere Ziele betrachtet werden. Oftmals sind dies beispielsweise die Minimierung der CO2-Emissionen und Produktionskosten. Über Zielgewichte wird die Relevanz der einzelnen Ziele zueinander ausgedrückt. Vereinfacht gesagt spiegeln die Zielgewichte die Marktsituation wider. Es liegt also die Frage zu Grunde, welchen Aufpreis zahlt der Markt für eine Verbesserung der Materialzirkularität oder Verkleinerung des CO2-Fussabdrucks. Durch Aufstellen einer Gesamtnutzenfunktion werden die einzelnen Ziele miteinander verknüpft. Es kann auf diesem Weg für jede mögliche Alternative ein Gesamtnutzen ermittelt werden, welcher sich an der aktuellen Marktsituation orientiert. Die Alternative mit dem höchsten Gesamtnutzen erfüllt die definierten Zielkriterien am meisten und sollte daher gewählt werden. Die Struktur der Gesamtnutzenfunktion entspricht einer additiven Verknüpfung der zielspezifischen Nutzenfunktionen.

Beispielsweise lautet die Gesamtnutzenfunktion für eine Betrachtung der Ziele Zirkularität, CO2 und Kosten wie folgt:

Wobei a hier für die verschiedenen Alternativen steht. Die zielspezifischen Nutzenfunktionen und die Gesamtnutzenfunktion wird von conspark aus den vorhandenen Alternativen und Marktanalysen ermittelt.

Insgesamt ermöglichen es die conspark Circular Performance Metrics verschiedene Zielfunktionen zu einem Nutzenwert zu vereinen. Durch diese Eigenschaft können sie sehr vielseitig verwendet werden und optimieren alle definierten Zielkriterien. In Bezug auf die hohen Emissionen und lineare Materialnutzung im Bausektor können sie zu einer Verbesserung beitragen und den Transformationsprozess zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen beschleunigen. Zirkularitätsindikatoren bieten Transparenz und Vergleichbarkeit von zirkulären Praktiken. Die Indikatoren bietet eine Basis für Entscheidungen und können je nach Stakeholder und Anwendungsebene für die unternehmensinterne oder -externe Verwendung genutzt werden.


Quellenangaben

Adams, M. / Burrows, V. / Richardson, S. / Drinkwater, J. / Gamboa, C.: Bringing embodied carbon       upfront: Coordinated action for the building and construction sector to tackle embodied carbon, World Green Building Council, 2019.

bauenschweiz: Zirkuläre Bauprodukte für eine kreislauffähige Bauwirtschaft,       https://www.bauenschweiz.ch/de/news/meldungen/Webnews-Sessionsanlass.php, aufgerufen am 20.04.23.

Ellen MacArthur Foundation / Granta Design: Circularity indicators: an approach to measuring  circularity methodology, 2019.

EN 15804: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen.

EN 15978: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden  – Berechnungsmethode.

ISO 14025: Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Typ III Umweltdeklarationen – Grundsätze und Verfahren.

ISO 14040: Umweltmanagement – Ökobilanz – Prinzipien und allgemeine Anforderungen.

ISO 14044: Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen.

Keys, A. / Sutherland, A. B. / Tacchinardi, I. / Murdie M.: The Circularity Gap Report: Closing the Circularity Gap in Switzerland, 2023.

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