Dieser Gastbeitrag stammt von: Sylvie Merlo, Vice President, Circular Clothing – vielen herzlichen Dank.
Soll der Planet für zukünftige Generationen bewahrt werden, muss die Textilindustrie den Weg vom linearen zum zirkulären Ansatz einschlagen. Die Vision der Genossenschaft und Kollaborationsplattform Circular Clothing ist eine abfallfreie Textilindustrie. Eine kreislauffähige Textilindustrie produziert keinen Abfall. Indem sie ihre Kräfte bündeln, sollen kleine Mode- und Textillabels befähigt werden, Cradle to Cradle Certified® Produkte auf den Markt zu bringen. Auf ihrem ambitionierten Weg werden sie unterstützt durch den Innovationspartner Migros- Pionierfonds, dem Zertifizierungspartner EPEA Switzerland und dem Wissenspartner STF Schweizerische Textilfachschule.
Textilindustrie als zweitgrösster Umweltverschmutzer
Die Fakten sind eindrücklich: In den letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz mit Kleidern mehr als verdoppelt, d. h. es werden jährlich mehr als 100 Milliarden neue Kleidungsstücke produziert. Die Produktion wird immer billiger und schneller. Nach einem Jahr sind 60 % der Kleidungsstücke bereits Abfall. Das entspricht einem Müllwagen voller Kleidung pro Sekunde. Viele Kleidungsstücke werden, wenn überhaupt, nur einmal getragen. Die restlichen 40 % der Kleidungsstücke werden weder verkauft noch verwendet (Quelle: Ellen MacArthur Foundation).
Die Textilindustrie ist somit der zweitgrösste Umweltverschmutzer der Welt. Insbesondere der Fast- Fashion-Sektor steht am Pranger: der enorme Ressourcenverbrauch, die Ausbeutung der Menschen, die Vergiftung der Ökosysteme und die Zerstörung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen.
Den Weg zur Kreislauffähigkeit ebnen
Im Interesse des Planeten muss die Art und Weise, wie Textilien entworfen, hergestellt und verwendet werden, neu gedacht werden. «Damit die Modeindustrie nachhaltiger werden kann, braucht es einen zirkulären Ansatz und besondere Unterstützung für kleine Unternehmen. Deshalb fördert der Migros- Pionierfonds das Projekt Circular Clothing, das kleinen Schweizer Textillabels den Weg zur Kreislauffähigkeit ebnet», so Isabel Knobel, Projektleiterin beim Migros-Pionierfonds.
Kleine und mittlere Textillabels stehen vor grossen Herausforderungen, wenn es um die Beschaffung von zirkulären Materialien geht. Dies liegt an kleinen Produktionslosen, begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen und fehlenden Informationen. An diesem Punkt setzt Circular Clothing an: Es bietet Schweizer Textillabels eine Plattform, um gemeinsam mit Materialien zu arbeiten, die sicher, gesund und zirkulär sind. Hierzu wird auch das notwendige Wissen vermittelt, wie kreislauffähige Produkte in den Bereichen Fashion, Active Wear, Outdoor Wear und Home Textiles entworfen und produziert sein müssen, damit sie nach dem Cradle to Cradle®-Standard zertifiziert werden können.
Erste Cradle to Cradle Certified® Denim-Kollektion
Nur ein Jahr nach der Lancierung der Kollaborationsplattform ist im Herbst 2022 die erste Cradle to Cradle Certified® Kleiderkollektion auf den Markt gekommen. In enger Zusammenarbeit mit europäischen Lieferanten ist es der Circular Clothing Genossenschaft gelungen, Zugang zu zirkulären Materialien und Ausrüstungen zu finden und diese für den ersten Fashion Use Case, bzw. für die Black Denim Collection des Ethical Fashion Label «the Blue suit» anzuwenden.
«Sämtliche Materialien, sowie die gesamte Lieferkette mit deren Produktionsschritten, wurden von uns auditiert und in einem aufwändigen Zertifizierungsprozess in die Cradle to Cradle®-Zertifizierung integriert. Von der nun vorliegenden Cradle to Cradle®-Zertifizierung profitiert nicht nur der erste Fashion Use Case, sondern auch zukünftige Use Cases der Circular Clothing Genossenschaft», so Albin Kälin von EPEA Switzerland.
Die Cradle to Cradle®-Zertifizierung basiert auf den folgenden fünf Prinzipien: Materialgesundheit, Produkt-Kreislauffähigkeit, saubere Luft und Klimaschutz, soziale Fairness sowie Wasser- und Bodenschutz. Je nachdem, wie weit all diese Kriterien bei der Herstellung erfüllt werden, gibt es verschiedene Zertifizierungsstufen von Bronze über Silber bis zu Gold und Platin. Die Circular Clothing Genossenschaft hat den Gold-Level erreicht.
Online-Assessment-Tool für den ersten Überblick
Wo beginnt man, wenn man sich als Textillabel auf den zirkulären Weg einlassen will? Auf der Basis der Cradle to Cradle®-Anforderungen hat Circular Clothing ein Online-Assessment-Tool entwickelt, welches erste Antworten liefert. Zuerst wählt man die Produktkategorie aus, z.B. Fashion, Active Wear, Home Textile oder Accessoires, dann ein spezifisches Produkt, z.B. T-Shirt. Mit dem ganzen Produktlebenszyklus des T-Shirts vor Augen, geht es dann zum eigentlichen Assessment. Dieses umfasst die fünf Cradle to Cradle®-Prinzipien. Je nach gewählter Antwort werden Punkte von 1 bis 5 erzielt. Das Schlussresultat gibt dem User einen ersten groben Überblick, inwiefern sein Produkt die Cradle to Cradle®-Anforderungen erfüllt und wo er ansetzen kann, um ein kreislauffähiges Produkt zu entwickeln.
Das Resultat aus dem Online-Assessment ist ein idealer Ausgangspunkt für einen ersten Kontakt mit Circular Clothing. Die Genossenschaft bietet Textillabels, die kreislauffähig werden wollen, Lösungen an, die sich ein Label alleine nicht leisten könnte: den Zugang zu sicheren und gesunden Materialien, eine gemeinsame und transparente Lieferkette, integriert in eine Cradle to Cradle Certified® Zertifizierung und natürlich die Wissensvermittlung, wie man aus dem <take, make, waste>-Zyklus der linearen Wirtschaft ausbricht, um den zirkulären Weg aktiv zu beschleunigen und materialgesunde und kreislauffähige Produkte im Markt anbieten zu können.
Innovative Textilherstellung innerhalb des biologischen Kreislaufs
Mit dem Aufbau einer gemeinsamen Lieferkette sowie einer Cradle to Cradle®-Zertifizierung für ihre Mitglieder hat die Genossenschaft die Messlatte hoch gelegt. Die intensive Forschung der letzten zwei Jahre zeigt, dass Cradle to Cradle Certified®-Materialien und -Anwendungen auf dem Bekleidungsmarkt im Moment nur begrenzt verfügbar sind. Dennoch ist es dem Forscherteam gelungen, eine Auswahl an Materialien und Ausrüstungen für weitere Use Cases in den Bereichen Mode, Accessoires und Heimtextilien bereitzustellen.
So entwickeln sechs Labels mit Hochdruck neue Cradle to Cradle Certified® Produkte, die im laufenden Jahr lanciert werden sollen:
- Yannik Zamboni, Gewinner der US Fashion Reality Show “Making the Cut” Ausgabe 2022 für sein Label “maison blanche“
- Elisabeth Meier und ihr Team für ihr Accessoire-Label “Stuned”
- Emanuela Zambon für den Fair Trade Shop “Changemaker”
- Käthi Bänteli und ihre Teamkollegen von Balsiger Textil für das Label “Lavie”
- Tristan Winkler für sein Active Wear Label “Penguin”
- Yvonne Vermeulen für “the Blue suit”
Den Kreislauf schliessen
Nachdem in der ersten Phase der Fokus auf den Kreissegmenten «Kreislauffähiges Design», «Zugang zu sicheren Materialien» und «Gemeinsam Cradle to Cradle Certified® zertifizieren» lag, geht es in der nächsten Phase darum, den Kreislauf zu schliessen. So sollen Reparatur- und Upcycling-Services aufgebaut und mit dem Fachhandel ein Rücknahmesystem aufgegleist werden. Mit Partnern und Kommunen will die Genossenschaft eine Rücknahmelogistik, Recycling- und Kompostierlösungen entwickeln. Zur lückenlosen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Lieferkette und des Materialmixes der Textilien will Circular Clothing ihren Mitgliedern einen Digitalen Produktpass zur Verfügung stellen.
Kollaborativ die Transition fördern
Um eine zirkuläre Textilindustrie und einen verantwortungsvollen Textilkonsum zu erzielen, setzt Circular Clothing entlang der ganzen Wertschöpfungskette auf strategische Kooperationen. Sie ist überzeugt, dass nur in einem kollaborativen Ansatz die anspruchsvolle Transition von der linearen zur kreislauffähigen Wirtschaft gelingen kann. Deshalb ist die Genossenschaft in engem Austausch mit interessierten Investoren und Partnern, um folgende Projekte umzusetzen:
- Rücknahmelogistik
- Wiederverwendung, Reparatur und Upcycling-Services
- Recycling- und Kompostierlösungen
- Digitaler Produktpass, um zirkuläre Geschäftsmodelle zu ermöglichen
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