Am 30. August lud Zug Estates zum Nachhaltigkeitsforum 2022. Die Nachhaltigkeits-, Architektur- und Leichtbau-Koryphäe Werner Sobek sprach über seine 17 Thesen zur Nachhaltigkeit für die Immobilienbranche. Wortgewandt und -gewaltig, eindringlich, faktenreich und überzeugend. So wie Bewusstsein schaffen sein muss. Realität kann und soll halt auch mal weh tun. Stefan Marbach von Herzog & de Meuron erklärte am Beispiel des Objekts «Hortus» in Allschwil, wie sie den architektonischen Prozess angepasst haben: Weg vom primär gestalterischen Approach zu primären Nachhaltigkeitszielen und wie sich diese mit architektonischen Mitteln umsetzen lassen. Peter Wicki von Zug Estates betonte anhand der Metalli in Zug, wie wichtig die Bestellerkompetenz für mehr Nachhaltigkeit ist.
Die Welt hat kein Energieproblem
Sobek betonte diesen Punkt der aktuell brennenden politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Diskussion gleich zu Beginn: «Die Welt hat kein Energieproblem. Aber ein Emissionsproblem.» Damit war seine Rede lanciert.
Er hat grundsätzlich natürlich recht damit, kurzfristig haben wir aber (auch) ein Energieproblem. Aber nur, weil man sich durch dumme wirtschaftliche und politische Entscheidungen abhängig von fossilen Energieträgern gemacht hat. Zuerst von Öl, dann von Gas und nun von LNG. Wie Sobek erklärte.
Haben wir denn nichts gelernt, ist man geneigt zu fragen? Ist jetzt einfach LNG an der Reihe? Von den USA und von Katar? Die Energiepolitik und -strategie beispielsweise in der Schweiz, die die Energiewende vorsah, wird vor allem von rechts als gescheitert kritisiert – nachdem man sie jahrelang torpediert und blockiert hatte. «Hat nicht funktioniert, habt ihr gesehen? Jetzt müssen wir zurück zu Atomstrom.» Aber nicht nur die Politik hat sich gegen die Energiewende gestellt, auch das Volk sagte nein zu vorübergehenden Mehrkosten. Ob die Milliarden-Transfers aus der Schweiz und aus Europa an die Öl- und Gas-exportierenden Länder besser investiert sind?
Bauen und (!) Betreiben von Immobilien sind wichtig
Die Abbildung zeigt, in welcher Phase einer Immobilie welche Emissionen verursacht werden.
Der Aussage Sobeks «Der Betrieb der Gebäude ist nur ein Teil des Problems. Wir müssen die Zielrichtungen unseres Handelns bei der Bebauung der Welt ändern. Die Priorität muss auf einer drastischen Reduktion der grauen Emissionen liegen.» möchten wir mit ein paar Daten aus der Schweiz ergänzen.
Die Sanierungsquote der Schweiz bei Wohngebäuden ist nach wie vor zu tief. Fast 60% der Wohngebäude in der Schweiz waren 2020 Baujahr 1980 oder älter. Es gibt genug zu tun, um die Schweizer Klimaziele bezüglich Absenkung der Emissionen im Betrieb auf Kurs zu bringen.
Die Informationen zum Lebenszyklus von Sobek betonen, dass 50% der Emissionen jedoch bei der Bereitstellung der verbauten Materialien anfallen. Die «Studie über das verbaute Material in der Schweiz» des Schweizer Baumeisterverbands SBV von 2021 zeigt, dass Beton noch immer das am meisten verbaute Material ist in der Schweiz. Darüber wie gebaut wird, das heisst ob beispielsweise Leicht- oder Skelettbau, macht die Studie keine Aussagen. Es zeigt aber, dass nach wie vor emissionsintensive Baustoffe genutzt werden.
Holz also emissionsarmer Baustoff legte bei den Marktanteilen von 2010 bis 2019 von 4.4 auf 5.3 Prozent am meisten zu, doch auch der Anteil an Zement nahm leicht zu.
Der Vergleich als Index zeigt ein etwas besseres Bild: Die Verwendung von Stahl hat prozentual seit 2021 mit fast 20% am meisten zugenommen, mit einem Plus von knapp 15% folgt danach die Verwendung von Holz. Bei allen anderen Materialen hat der Verbrauch abgenommen.
Wir müssen mit weniger Stahlbeton bauen – Die Menschheit verfügt über zu wenig Bauholz
Zwei weitere Thesen von Sobek zeigen das Dilemma für die weltweite Bauwelt. Zum einen müssen emissionsintensive Baumaterialien so weit wie möglich reduziert werden, zum anderen steht weltweit nicht genügend Bauholz zur Verfügung.
Der Ausweg: «Es gilt, in großem Umfang schnell wachsende und für das Bauen nutzbare Hölzer anzupflanzen. Auch wenn diese Wälder erst in Jahrzehnten geerntet werden können – sie sind eine wichtige Investition in die Zukunft. Und sie binden schon jetzt CO2. Aufforstung ist das Gebot der Stunde.»
Je nach Region, wie zum Beispiel das baumreiche Zentraleuropa, ist das Angebot an Bauholz noch genügend.
Wir müssen anders bauen – und weniger
«Wir können den Ressourcenverbrauch, den Energieverbrauch und die Emissionen im Bauwesen nur dann radikal reduzieren, wenn wir unsere Art zu bauen vollkommen verändern. Ressourcenarmes Bauen bedeutet konsequenten Leichtbau, bedeutet recyclinggerechtes Bauen, bedeutet Bauen mit Rezyklaten. Es bedeutet aber auch, pro Kopf weniger zu bauen.»
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind nicht gleichberechtigt
Sobek schloss seine Ausführungen so eindrücklich, wie schlüssig. Die mehr und mehr spürbaren Klimaveränderungen zeigen immer deutlicher, dass die drei Säulen der Nachhaltigkeit nicht gleich tragend sind:
Denn wenn es keine ökologische Nachhaltigkeit gibt, dann gibt es auch keine wirtschaftliche und sozio-kulturelle.
Hortus Allschwil: Vom ästhetischen zum nachhaltig-ästhetischen Entwurf
«HORTUS zahlt seine Erstellungsenergie in einer Generation zurück. Auf dem BaseLink Areal in Allschwil bei Basel entwickeln SENN, Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieure gemeinsam ein Bürogebäude von ca. 10’000 m2 Nutzfläche für umweltbewusste (Tech-)Firmen. Das Bauwerk setzt einen neuen Standard für Nachhaltigkeit: Es zahlt die graue Bauenergie zurück und ist bereits nach rund 30 Jahren energiepositiv. Dazu wird es aus einem ungewöhnlichen Mix aus Naturmaterialien konstruiert.» schreibt der Entwickler SENN über Hortus.
Stefan Marbach von Herzog & de Meuron betonte bezüglich des Projekts nicht nur die «Kompensation» der grauen Energie, sondern vor allem auch, wie eines der weltweit führenden Architektur-Büros den architektonischen Prozess angepasst hat: Weg von primär gestalterischen Überlegungen, hin zu Nachhaltigkeitszielen und wie sie sich mit architektonischen Mitteln umsetzen lassen. Er appellierte auch, dass es nach wie vor mehr Bauherren und Investoren braucht, die sich von solchen Ideen begeistern lassen.
Herzog & de Meuron fasst die Herangehensweise an Hortus auf ihrer Website wie folgt zusammen: «HORTUS steht für House of Research, Technology, Utopia and Sustainability und setzt den Fokus auf innovative und ambitionierte Nachhaltigkeitskonzepte. So unterlag der Entwurfsprozess einer ausgeprägt analytisch-akademischen Materialanalyse, bei der Baumaterialien auf ihre ökologischen und physikalischen Eigenschaften geprüft und verglichen wurden. Ein Hauptkriterium dabei war, dass der Ursprung möglichst natürlich und aus nachwachsenden Rohstoffen sein sollte. Ganz im Sinne des Cradle-To-Cradle-Prinzips sollen alle verwendeten Bauteile katalogisiert und im ökologischen Kreislaufsystem für eine Wiederverwertung zur Verfügung stehen. Der Entwurf zielt auf eine drastische Minimierung des CO2-Fussabdrucks ab und setzt auf ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept. Dabei sollen Empfehlungen für ökologisches Bauen, wie z.B. der SIA 2040, noch weit übertroffen werden.»
Die Bestellerkompetenz ist zentral für nachhaltiges Bauen
Peter Wicki von Zug Estates präsentierte den Projektstand der Metalli in Zug und betonte abschliessend und zusammenfassend die Wichtigkeit der Bestellerkompetenz in Bezug auf Nachhaltigkeit:
0 Kommentare