Die Swissbau 2022 in der Messe Basel fand, aufgrund Corona vom Januar verschoben, vom 3. bis 6. Mai als «Swissbau Compact» statt. Und es war toll, endlich wieder raus zu dürfen, sich inspirieren zu lassen und mit «echten» Menschen ins Gespräch zu kommen. Angekündigt wurde die «Swissbau Compact» von den Organisatoren als «neu lancierte gemeinschaftliche Netzwerk-Plattform». Etwas schwerverständlich, klar war die compacte Version organisatorisch gesundgeschrumpft, um sie unter diesen Umständen handelbar zu machen. Ist aber eine Messe nicht immer eine «Netzwerk-Plattform»? Nach der Messe kommunizierten die Verantwortlichen «Die nächste Swissbau kehrt vom 16. bis 19. Januar 2024 wieder als Mehrbranchenmesse in etablierter Form und Grösse in die Hallen der Messe Basel zurück.». Ist diese Kommunikation inhaltlich nicht eine gute Metapher für die Bau- und auch Messebranche im Moment? Können und wollen wir zurück zu vor-Corona-Wurzeln oder sind weitere mutige Schritte nötig?
Swissbau – zurück zu alter Form und «Grösse»?
Um dies vorwegzunehmen, wir verstehen, dass Messen mehrheitlich nach wie vor klassisch von den vermieteten Standflächen leben und andere Geschäftsmodelle noch in den Kinderschuhen stecken. Es war aber auch – obwohl zuerst etwas schockierend – schön zu sehen, wie klein, wendig und eben compact die diesjährige Swissbau-Ausgabe daherkam. Fokussiert auf Innovation und Digitalisierung im Innovation Lab und einem iRoom, der in diesem Jahr auch Inhalte für eine Fachmesse bot und eines sehr schön veranschaulichte: Die Wichtigkeit von Kollaboration in den Branchen Architektur, Bau und Immobilien. Vor zwei Jahren noch fanden wir den iRoom mehr für eine Publikumsmesse nützlich mit wenig spezifischen Inhalten für Fachleute aus diesen Branchen. Die Swissbau war in diesem Jahr schon einmal hybrid in dem Sinne, dass Veranstaltungen auch online übertragen wurden und damit ein Besuch nicht nur vor Ort möglich war.
Wohin geht’s für Messen, Live-Kommunikation und MICE?
Die Messe- und Event-Branche war eine, die Corona am härtesten getroffen hat. Mit einem Umsatzeinbruch von fast 60% 2020 im Vergleich zu 2019, auf 2.37 Milliarden Franken. Online Formate wurden eilig getestet und eingeführt, nach der Pandemie werden immer mehr hybride Events und Messen durchgeführt. Wie geht es in diesen Branchen weiter? Es scheint ein guter Zeitpunkt zu sein, sich über neue Formate und vor allem auch über Geschäftsmodelle Gedanken zu machen, die nicht vor allem auf vermietete Flächen an Messen basieren. Dies ist nicht nur eine Frage von Pandemie oder nicht, auch nicht nur von technologischen Möglichkeiten, sondern auch eine Frage der Generationen. Funktionieren Messen in ihrer bisherigen Form zum Beispiel für die Generation Z?
Der Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA stellte anfangs 2022 Sechs Thesen zur Zukunft der Messe auf:
- These 1: Persönlicher Kontakt und Erlebnis bleiben im Fokus.
- These 2: Die Messe der Zukunft ist hybrid.
- These 3: Messen werden kleiner und lokaler.
- These 4: Nachhaltigkeit steht im Fokus.
- These 5: Die Planung von Messen wird komplexer.
- These 6: Investitionen in Technik und Personal nötig.
Das heisst für Messeveranstalter, dass vor allem aufgrund der hybriden Messen mehr und anderes Know-how nötig ist, Investitionen in Technologie unabdingbar sein werden und vor allem neue Mehrwerte für Aussteller:innen und Besucher:innen von Veranstaltungen angeboten werden müssen. Sicher kein leichtes Unterfangen nach zwei harten Jahren – aber eine Chance für die Zukunft, um mit Messen und Kongressen weiterhin wichtig zu sein für Marketing und Sales.
Die deutsche Baumüller Gruppe entwickelte zum Beispiel einen virtuellen Messestand für ihren Auftritt auf der digitalen Hannover Messe 2021, um auch in der Corona-Zeit bei Interessenten und Bestandskunden präsent zu sein. Dabei entschied man sich bewusst dazu, nicht nur die digitalen Kanäle der Messegesellschaft zu nutzen, sondern eine eigene Plattform aufzusetzen. Mit der www.motion-arena.com ist seither für die Gruppe das ganze Jahr online Messe, die sich auch mit analogen Events verzahnen lässt.
Auch für Messeveranstalter ergeben sich hier Möglichkeiten, mit Messen und relevantem Content viel länger als nur während der Dauer der physischen Messe Mehrwert zu bieten und Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Solche Dienstleistungen können aus Webinaren, Seminaren, Konferenzen und Kongressen, die in den physischen und vor allem digitalen Räumlichkeiten des Messeveranstalters stattfinden. Angebot und Nachfrage soll auf einem digital erweiterten Marktplatz das ganze Jahr zusammengebracht werden und über Abo-Modelle abgerechnet werden. Produkte können so während des ganzen Jahres sehr individuell präsentiert werden und während der Messe mit Virtual Reality angereichert werden. Live oder auch mit hochwertig vorproduziertem Material.
Big Data und Nutzerprofile können während und nach analogen Messen beim Matchmaking helfen. Dem Besucher können basierend auf seinen Interessen, den besuchten Veranstaltungen und Messeständen und seinem Standort relevante Firmen, Produkte und Kontakte vorgeschlagen werden. Aber nicht nur «relevante» Vorschläge können dabei interessant sein, sondern auch zufällige, um das Zufällige von Messen zu simulieren.
Bei Fachmessen und Konferenzen ist zudem schon seit einigen Jahren zu beobachten, dass sie vermehrt auf Festivalstimmung setzen. After-Show-Partys, ein spektakuläres Vortragsprogramm und Live-Acts gehören mittlerweile auch bei Business-Events zum Standard.
Nur für das Zwischenmenschliche gibt es online noch keine überzeugenden Alternativen. Plattformen wie Wonder versuchen hier auch zufällige Gespräche und Netzwerken auf eine etwas natürlichere Art zu ermöglichen.
Die Bau- und Immobilienbranche ist auf dem Weg
In der Bau- und Immobilienbranche waren die Zeichen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten klar: Die kleinteilige, fragmentierte Industrie muss mit den unzähligen am Bau Beteiligten besser zusammenarbeiten, um die Ergebnisse zu verbessern, Fehlerquoten zu senken und damit auch die Kosten von Bauprojekten zu senken. Doch erst mit BIM und Digitalen Zwillingen hat sich die digitale Basis entwickelt, um umfassend in Bauprojekten während des ganzen Lebenszyklus von Immobilien zu kollaborieren. Darauf basierend und auch separat wurden unzählige PropTech-Unternehmen gegründet, die sich auf spezifische Aufgaben rund um Real Estate spezialisieren und teilweise und immer mehr in Ökosystemen zusammengefasst werden. In den Bereichen Finance und Investment, Verwaltung und Betrieb, Asset Management, Vermarktung und Smart Buildings und Cities helfen digitale Tools, besser zu analysieren, zu planen, zu bewirtschaften, zu bewerten und zu finanzieren sowie effizienter und ökologischer zu betreiben. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine sehr hohe Dichte an PropTechs, insgesamt nimmt die Zahl an neuen Property Tech Startups ab, die Höhe der Finanzierungen aber zu. Die Spreu beginnt sich vom Weizen zu trennen, der Markt beginnt zu konsolidieren.
Der Swiss PropTech Report 2021 zeigte unter anderem auf, welche Erfolgsfaktoren von PropTech-Unternehmen als besonders wichtig eingeschätzt werden:
Der Kundennutzen steht wenig überraschend an erster Stelle.
Kommen wir nochmals zurück zur Swissbau und ihrem Slogan: «Swissbau. Bringt alles zusammen.» Wir freuen uns auf die Zukunft des Bauens und natürlich auch auf die kommende Swissbau und wie alle Akteure, Formate und Technologien zusammengebracht werden. Und mit einem überzeugenden Kundennutzen auch digital-affine Generationen und Zielgruppen überzeugt werden können, auch in Zukunft nach Basel zu kommen. Virtuell und real.
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