Die Bau- und Immobilienbranche braucht mehr Nachhaltigkeit. Die Branche ist zentral, wenn es um das Erreichen von Klimazielen geht. Wo soll man ansetzen? Bei der Planung, Erstellung, Nutzung oder beim Rückbau? Bei den Materialien fürs Tragwerk, der Gebäudetechnik, bei Neubauten oder der Sanierung von Bestandsliegenschaften? Und vor allem: Wie messen und zertifizieren wir? Wie immer, wenn neue «Trends» und Notwendigkeiten aufkommen, schiessen Labels wie Pilze aus dem Boden. Wer schafft Orientierung, Glaubwürdigkeit, Mess- und Vergleichbarkeit? Wir haben uns hingesetzt und nationale sowie internationale Labels analysiert und eingeordnet. Einfach, weil es uns am Herzen liegt und wir kein Label kannten, welches einen umfassenden Blick auf Nachhaltigkeit für Real Estate gewährt.
ESG oder klassische Definition der Nachhaltigkeit?
Aktuell dominieren international ESG-Labels, die sehr stark Sustainable Finance geprägt sind, immer mehr auch die Diskussion um die Beurteilung von nachhaltigen Immobilien. Aus gutem Grund? Aus unserer Sicht nicht, gerade bei GRESB bleiben viele gesellschaftliche und wirtschaftliche Kriterien unbeantwortet. Governance ist zweifelsohne zentral, aber nicht hinreichend für die Beurteilung von Nachhaltigkeit von Immobilien. Der SNBS – Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz liefert eine ausgezeichnete Basis für die umfassende Beurteilung von Hochbauten anhand der klassischen Dimensionen von Nachhaltigkeit: Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Klammert aber den Bereich Governance aus. Schade. Der SSREI – Swiss Sustainable Real Estate Index reduziert die Kriterien des SNBS und setzt auf Bestandsliegenschaften, legt aber einen wichtigen Fokus auf Benchmarking sowie Messkriterien und -kataloge. Aber auch hier fehlt aus unserer Sicht die Governance.
Neben den bereits erwähnten Labels, haben wir auch folgende untersucht: SIA 112/1, DGNB, ECORE, ESI, BREEAM, LEED, UN SDG – Sustainable Development Goals, RICS, 2000 Watt, Minergie und Minergie-ECO. Und haben aus all diesen Labels unser Wunschlabel kreiert. Das Beste aus allen Welten, ohne ein Monster daraus zu machen? Wir haben es versucht.
Als ebenfalls sehr komplett neben SNBS erachten wir das System von DGNB, ECORE punktet mit dem Open Source-Ansatz und der breiten Verankerung in der deutschen Immobilienbranche.
Bereiche, die wir von unterschiedlichen Labels in das Konzept von SNBS integrieren würden – als Stichworte zur Diskussion? Einflussnahme des Nutzers (DGNB), Gebäudetechnik (DGNB), Management und Governance (BREEAM, GRESB), Innovation (SIA 112, BREEAM, LEED), Handlungsfähigkeit, Umnutzung, Marktfähigkeit (SIA 112, DGNB), Datenmanagement und Dokumentation (greenproperty), Performance (GRESB), Lichtmanagement und -verschmutzung (LEED), … um nur ein paar zu nennen. Es bleibt weiter zu definieren, auf welcher Ebene diese Kriterien angewendet (Unternehmen, Portfolio, Asset) und wie sie gemessen werden können.
Als Exkurs: Wie sich die EU-Taxonomie auf das Label DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) auswirkt, ist noch nicht genau abzuschätzen, grob lassen sich die Themen wie folgt strukturieren (mehr Infos):
Die inhaltliche Grundlage der EU-Taxonomie bieten folgende sechs Umweltziele:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme
Die dazu relevanten Aktivitäten des Bau- und Immobiliensektors:
- der Neubau,
- die Renovierung von Gebäuden,
- individuelle Massnahmen und professionelle Dienstleistungen sowie
- der Erwerb und das Eigentum von Immobilien.
Wir bleiben dran: Sind Sie an einem Austausch zu diesem Thema interessiert? Wir sind gespannt auf Rückmeldungen, Vorschläge, etc. – nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Über Nachhaltigkeit von Immobilien haben wir auch hier geschrieben: Von «Lage, Lage, Lage» zu «ESG, ESG, ESG»?
Exkurs ESG-Labels 1: Wie werden Vergleiche dargestellt?
Der Vergleich von Nachhaltigkeitslabels für Immobilien gestaltet sich wie beschrieben schwierig. Zu heterogen sind sie bezüglich Kriterien, Messkonzepten und Benchmarks. Wie kann man sich aber einen schnellen Überblick verschaffen, ohne viele Stunden in einen Vergleich zu stecken?
Neben einer tabellarischen Übersicht, wie wir es in unserer eigenen Analyse gemacht haben, um Unterschiede detailliert zeigen zu können, sind wir bei der Swiss Life und dem «Guide to Sustainable Building Certifications» (entwickelt durch Danish Building Research Institute und 3XN Architects) auf interessante Darstellungsmöglichkeiten gestossen.
Der Guide to Sustainable Building Certifications differenziert die Labels anhang der Kriterien ESG prozentual in einem Kuchendiagramm:
Swiss Life unterscheidet Labels für Protfolios ganz grob nach Thementiefe und -breite:
Exkurs ESG-Labels 2: REIDA CO2-Benchmark
Trotz der Fülle an Labels kommen nach wie vor neue Tools auf den Markt, um die Nachhaltigkeit von Immobilien darzustellen. REIDA präsentierte an ihrem Anlass 2022 den REIDA CO2-Benchmark, welcher in Zusammenarbeit mit Amstein + Walthert entwickelt wurde. Der Fokus dabei ist klar: Die CO2-Emissionen von Portfolios im Betrieb, um damit eine einfachere Vergleichbarkeit und einen Benchmark zu ermöglichen.
Folgende Fragen führten zur Überzeugung, dass der Weg der Reduktion der richtige ist:
«REIDA schliesst diese Lücke und lanciert den Schweizer Standard für die Bemessung und den Vergleich von CO2-Emissionen in Form eines CO2-Benchmarks. Die Positionierung des Produktes lautet: Vergleichsmöglichkeiten und Ordnung schaffen und Unsicherheiten bezüglich Messung und Bilanzierung lösen. Der Benchmark richtet sich an Portfoliomanager, Nachhaltigkeitsexperten und an die Unternehmenskommunikation.» schreibt REIDA über den Benchmark.
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