Die Schweiz – eine nachhaltige Musterschülerin?

Im Dezember 2020 wurde der neue Europe Sustainable Development Report (ESDR 2020) publiziert. Die Schweiz belegt darin den 8. Platz aus 31 bewerteten Ländern. Das Podest bilden die drei nordischen Länder Finnland (Platz 1), Schweden und Dänemark. Unsere Nachbarn Österreich und Deutschland belegen die Plätze 4 und 6.

Detaillierte Infos zu einzelnen Ländern

Basis für dieses Ranking bilden die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SGD) der Vereinten Nationen. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft sind vor allem die Ziele 11, SDG11 – Sustainable Cities and Communities, und die Nummer 7, SDG7 – Affordable and Clean Energy, von Interesse. Bei der Energie steht die Schweizer Ampel auf Grün, bei nachhaltigen Städten auf Orange.

Was beinhaltet das Nachhaltigkeitsziel Nr. 11?

  • Share of green space in urban areas (%) / Anteil der Grünflächen in städtischen Gebieten
  • Overcrowding rate among people living with below 60% of median equivalised income (%) / Überbelegungsrate bei Menschen, die mit weniger als 60 % des medianen Äquivalenzeinkommens leben
  • Recycling rate of municipal waste / Recyclingquote von Siedlungsabfällen
  • Population living in a dwelling with a leaking roof, damp walls, floors or foundation or rot in window frames or floor (%) / Bevölkerung, die in einer Wohnung mit undichtem Dach, feuchten Wänden, Böden oder Fundament oder Fäulnis in Fensterrahmen oder Fussboden lebt (%)
  • Satisfaction with public transport (%) / Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Exposure to air pollution: PM2.5 in urban areas (μg/m3) / Luftverschmutzung ausgesetzt: PM2,5 in städtischen Gebieten (μg/m3)
  • Access to improved water source, piped (% of urban population) / Zugang zu sauberen Wasserquellen

Das sind alles wichtige Ziele – doch erfassen sie die Treiber für Nachhaltigkeit bei Immobilien im Kern? Wohl eher nicht.

Griffige Ziele für Immobilien

Mathias Rinka schreibt über das 78. Schweizer Immobiliengespräch zum Thema Nachhaltigeit: «Darüber hinaus verwies Kraft (Dozent und Projektleiter Immobilien sowie Co-Leiter des MScRE-Studiengangs an der Hochschule Luzern) auf die besondere Bedeutung der Immobilienwirtschaft, wenn es um Energieeinsparmöglichkeiten geht – schliesslich verursache der heutige Gebäudebestand gut ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs und 40 Prozent aller aktuellen CO2-Emissionen. Ein besonderer Hebel bei der Einsparung von Energie im Gebäudebetrieb werde heutzutage der Sanierung von Altliegenschaften zugewiesen, so Kraft. Bei Sanierungsmassnahmen würden hier z.B. alte fossil betriebene Heizungssysteme erneuert oder, wenn möglich, durch neue Systeme mit erneuerbaren Energien ersetzt.» Für die Immobilienwirtschaft sollten also griffigere Ziele und Kriterien in die Beurteilung von Nachhaltigkeit einfliessen – ansonsten bleiben auch Länderrankings nur Momentaufnahmen an der Oberfläche und Nachhaltigkeitsziele kaum erreichbar.

Swisscleantech schreibt über die Sanierungsquote der Schweiz als wichtigen Treiber für Nachhaltigkeit von Immobilien: «Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral werden, das verlangt das Pariser Klimaabkommen und ist vom Bundesrat unlängst bekräftigt worden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jährlich 3 Prozent der Gebäude energetisch saniert werden. Die Quote liegt aber seit Jahren unter 1 Prozent. Bei diesem Tempo dauert es bis ins 22. Jahrhundert, um den gesamten Gebäudepark klimatauglich zu machen. Verzichten Hausbesitzer darauf, ihre Gebäude klimaneutral zu modernisieren, laufen sie Gefahr, dass der Verkaufswert ihrer Immobilien sinkt. Dies ist nicht nur fürs Klima schlecht, da Wohneigentum einen Grossteil des privaten Vermögens ausmacht.»

Swissinfo zitiert in ihrem Artikel «Ein Jahrhundert, um alle Gebäude der Schweiz zu sanieren» die Credit Suisse wie folgt:

Schweizer Immobilien in Zahlen (2019)

  • In der Schweiz gibt es rund 1,7 Millionen Wohngebäude.
  • Fast 4 von 5 Gebäuden wurden vor 1990 erbaut (im europäischen Durchschnitt).
  • Mehr als 1 Million Häuser sind schlecht oder nicht vollständig isoliert.
  • Fast 2 von 3 Gebäuden werden mit Heizöl oder Erdgas (Methan) beheizt.
  • 2018 wurden 7500 Gebäude isoliert und 3000 Heizungsanlagen ersetzt.
  • Die Renovierungsrate von Gebäuden liegt bei rund 1% pro Jahr.

Der RICS zu Nachhaltigkeitszielen der Immobilienwirtschaft

Der RICS, Royal Institution of Chartered Surveyors, als einer der weltweit führenden Verbände der Immobilienwirtschaft schreibt zu Nachhaltigkeitszielen für Immobilien: «Real estate is an often-overlooked element of a company’s responsible business agenda, but with our sector impacting – either directly or indirectly – most of the SDGs and with its cross-sectoral reach it can be a powerful driver for making the SDGs a reality.»

Dazu haben sie die UN-Nachhaltigkeitsziele den Phasen von Immobilien von der Entwicklung, über die Nutzung bis zum Rückbau/zur Umnutzung zugeordnet:

Und daraus konkrete Ziele abgeleitet:

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